„Schwarzbrot am Abend kannten wir nicht“ Das diesjährige Motto des Tages der Archive „Essen und Trinken“ ist ein willkommener Anlass, sich dem alltäglichen und essentiellen Thema Versorgung und Verpflegung im Lager zu widmen.
Aus Sicht der Bewohner:innen des Grenzdurchgangslagers ist das Essen mal Anlass zur Verwunderung über deutsche Essensgewohnheiten, wie z. B. „Schwarzbrot am Abend kannten wir nicht“, dann wieder ein willkommener Anlass zu einem Spaziergang durchs Lager. Unterwegs trifft man sich, tauscht freundliche Worte aus und hat am Ende sogar noch Gelegenheit zu einem Plausch bei leckerem Café, seitdem es das beliebte Coffee-Bike, das von der Inneren Mission betrieben wird, gibt. Die regelmäßigen Essenszeiten: Frühstück, Mittagessen, Abendessen verleihen dem Lageralltag Struktur und sind verlässlich. In heißen Phasen kann sich aber auch schon einmal anhand einer Banane ein Streit entfachen, hier wird Essen zum Ventil für Überlastung und Stress. Vieles dreht sich ums Essen: die unterschiedlichen Essensgewohnheiten und (Un)-Verträglichkeiten.
Wir haben uns gefragt, wie es hinter den Kulissen aussieht, wieviel Arbeit, Zeit und Organisation fließen am Ende in ein vollwertiges Gericht? Im Archiv des Museums Friedland werden wir fündig: dort lagern alte Küchen-Wirtschaftsbücher, Rezepte und Speisepläne für jeden einzelnen Tag des Jahres. Unfassbar viele Gerichte und große Mengen an Essen. 1987 standen z. B. Königsberger Klopse, Erbseneintopf oder Kohlroulade auf dem Speiseplan.
Wie es heute hinter den Kulissen der Lagerküche aussieht und was sich in den letzten Jahrzehnten verändert hat, erzählen uns Annette Raub und Norbert Raub, seit Dezember 2023 Küchenleiter im Grenzdurchgangslager. Seine Kollegin Annette Raub ist dagegen schon seit fast 30 Jahren im Lager beschäftigt. In einem höchst spannenden Gespräch erfahren wir, dass Kochen eine Wissenschaft für sich ist und die Versorgung von mehreren Hundert Personen viel Vorlauf, Logistik und Planung braucht und lernen, dass „Convenience Food“ nicht immer mit Fertiggerichten gleichzusetzen ist, und außerdem, was „Cook&Serve“ und „Cook&Chill“ eigentlich bedeuten.
Täglich werden im Grenzdurchgangslager Friedland zwischen 300 bis 550 Essen ausgegeben. Wenn es darauf ankommt, könnten auch doppelt so viele Essen zubereitet werden oder sogar über 2000, wie es 2015 der Fall war, erinnert sich Annette Raub. Idealerweise ist diese Leistung im Normalfall von einem Team aus ca. 20 Mitarbeitenden im Service, vier Köchen und zwei Küchenhilfen zu erbringen, hinzu kommt noch Unterstützung für den Abwasch. Auch Hilfe von Bewohner:innen ist durchaus willkommen, wenn die notwendigen Voraussetzungen nach dem gültigen Infektionsschutzgesetzt gegeben sind. Und das Angebot wird gerne angenommen, betont Annette Raub.
Aktuell befindet sich die Küche im Umbau und soll im Frühsommer den Regelbetrieb wieder aufnehmen. Dafür entwirft Norbert Raub einen detaillierten Ablaufplan, erstellt die Rezepte und macht die Speiseplanung für fünf Wochen. Der Speiseplan rotiert alle fünf Wochen. Dieses System hat den Vorteil, dass überschüssige Gerichte mit der Methode des „Cook&Chill“ konserviert werden können und nicht entsorgt werden müssen. Bei diesem Verfahren wird das Essen schnell runtergekühlt, um bei Bedarf verzehrfertig aufbereitet zu werden, eine ressourcenschonende Methode, zumal die Anzahl der Essensgäste bedingt durch die unterschiedlichen Ankünfte schutzsuchender Menschen variieren kann.