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Nissenhütte im Grenzdurchgangslager Friedland, 2017, Foto: Museum Friedland/ Stephan Beuermann|

Die Nissenhütte in Friedland
und die Herausforderung an Nutzung und Erhalt

Die Nissenhütte im Lager Friedland repräsentiert die Anfangsphase des Lagers. Neben Zelten und einem Stallgebäude dienten ab Oktober 1945 zunächst 17 dieser Wellblechbaracken der Registrierung, ärztlichen Versorgung, Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen und Schutzsuchenden.

Mit der Verlegung des Lagers auf die Anhöhe nördlich der Leine prägten Nissenhütten weiterhin das Bild vom Lager: ca. 220 Nissenhütten wurden in den folgenden Jahren aufgestellt. Im Wesentlichen wurden sie als Unterkünfte für Lagerbewohner*innen und Mitarbeiter*innen, Waschräume, Kindergarten oder Kleiderkammer und Kapelle genutzt. Ab den 1950er Jahren wichen sie nach und nach den Holzbaracken, bis sie schließlich ab 1965 mit einer Ausnahme verschwanden.

Anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Grenzdurchgangslagers fand die letzte vorhandene Nissenhütte 1995 ihren neuen Standort an exponierter Stelle im Grenzdurchgangslager Friedland und erfuhr damit eine Wertschätzung als erhaltenswertes Bauelement der Lagergeschichte.

 

Wartende Menschen vor der Essensausgabe in einer Nissenhütte, 1947, Museum Friedland/ Innere Mission e. V., Fotograf*in unbekannt
Nissenhütten im Lager Friedland, Anfang 1950er Jahre, Fotograf *in unbekannt, Quelle: Museum Friedland/ Lagerchronik, Bd. 1
Blick auf den östlichen Teil des Lagers, 1950er Jahre, Foto: Museum Friedland/ Fritz Paul

Geschichte und Bedeutung

Nissenhüttenlager prägten das Bild von zerstörten Städten der Nachkriegszeit,wie z. B. das Nissenhüttenlager in Harburg, Berlin oder Kiel. Wenige Exemplare dieser Bauart sind erhalten: Zu erwähnen sind die Nissenhütten im Luftbrückenmuseum Faßberg, im Deutschen Panzermuseum Munster, in den Freilichtmuseen am Kiekeberg und in Kommern.

Einzigartig an der Nissenhütte in Friedland ist ihre Verankerung am Ort Friedland und ihre Bedeutung als Teil der Geschichte des Lagers und Sinnbild für die Geschichte von Flucht und Vertreibung. Ihr Standort im Verbund mit den historischen Bauten, beispielsweise Holzbaracken wie der evangelischen Lagerkapelle, ist besonders hervorzuheben.

Benannt nach ihrem Erfinder, dem kanadischen Ingenieur und Offizier Norman Peter Nissen (1871-1930), fungierte die Nissenhütte seit 1916 zunächst als provisorische Unterkunft für militärische Zwecke. Bei diesem Bautyp handelt es sich um einen tonnengewölbten Baukörper mit einer einfachen Konstruktion aus zu einem Bogen geformten Stahlstützen und einem Wellblech als Dach. Die Stirnseiten bestehen aus einer Bretterwand mit integriertem Fenster und einer Tür. Aufgrund der einfachen Bauweise konnte eine Nissenhütte von ca. sechs Personen in vier Stunden aufgebaut werde. Auf einer Fläche von ca. 11 m Länge und 5 m Breite sowie einer Höhe von 3 m bot sie ca. 20 bis 25 Personen Platz. Die Ausstattung war in der Anfangszeit sehr einfach. Lediglich ein Ofen stand zur Verfügung. Später boten auch einfache Dielenbretter Schutz vor dem feuchten Untergrund.

 

 

Bau einer Nissenhütte, 1946, Foto: Museum Friedland/ SCI Archives, Fotograf*in unbekannt
Nissenhütte als Unterkunft einer Lagermitarbeiterin, der Diakonissin Schwester Anna, 1950, Foto: Museum Friedland/ Fritz Paul

Nutzung und Erhalt heute

Bis zur Eröffnung des Museums Friedland im Jahr 2016 diente die Nissenhütte als Dokumentationsstätte. Heute fungiert sie darüber hinaus als verbindendes Element zwischen dem Grenzdurchgangslager Friedland, seinen Bewohner*innen und dem Museum Friedland. Dabei hat die Nissenhütte zweierlei Funktionen: Sie bietet Möglichkeiten zu Austausch und Teilhabe für die Lagerbewohner*innen und repräsentiert gleichzeitig die Geschichte des Lagers. Dieser Spagat gelingt durch die Nutzung der Nissenhütte einerseits als Aufenthaltsort im Rahmen von museumspädagogischen Programmen, andererseits als Ausstellungsraum. Durch die gegebene räumliche Zweiteilung der Nissenhütte ergibt sich zusätzlich die Möglichkeit einer zweifachen Nutzung. Während im vorderen Bereich aktuell die Ausstellung

„I Feel“ zu sehen ist und dieser Raum für pädagogische Projekte zur Verfügung steht, soll im hinteren Bereich die historische Perspektive vom Besucher eingenommen werden können und die Möglichkeit gegeben sein, sich mit dem eigentlichen Bau und der Geschichte des Lagers vertraut zu machen. Dieser Teil der Ausstellung befindet sich in Vorbereitung. Die historische Substanz wird dabei erhalten und pflegerische Maßnahmen werden, sofern erforderlich, behutsam durchgeführt.

Nissenhütte als Dokumentationsstätte, Grenzdurchgangslager Friedland, 2018, Foto: Museum Friedland/ Ewa Kruppa
Ausstellung „I FEEL“ in der Nissenhütte im Grenzdurchgangslager Friedland, 2020, Foto: Museum Friedland/ Stephan Beuermann