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Das Grenzdurchgangslager Friedland 1945 bis heute.

Eckdaten zur Geschichte

 

Über Friedland kommen seit 1945 mehr als vier Millionen Menschen in die Bundesrepublik. Das Grenzdurchgangslager (GDL) bei Göttingen war Anlaufstelle für Flüchtlinge und Vertriebene nach dem Zweiten Weltkrieg, für entlassene Kriegsgefangene und Displaced Persons, für Aussiedler*innen und Zufluchtssuchende aus vielen Teilen der Welt. Heute ist es Erstaufnahmeeinrichtung für Spätaussiedler*innen, jüdische Zuwanderer*innen aus der ehemaligen Sowjetunion, für Asylsuchende sowie für Flüchtlinge im Rahmen von Resettlement- und humanitären Aufnahmeprogrammen.

Das Grenzdurchgangslager Friedland entsteht als Folge des Zweiten Weltkriegs und der millionenfachen Migrationen bei Kriegsende. Die britische Militärregierung veranlasst die Einrichtung von Durchgangslagern, die die vielen Menschen erfassen und kontrolliert weiterleiten sollen. Das Lager Friedland nimmt am 20. September 1945 den Betrieb auf.

In der ersten Zeit treffen vor allem Flüchtlinge, Vertriebene und Ausgewiesene aus den Gebieten östlich von Oder und Neiße ein. Aber auch im Krieg Evakuierte und aus der westalliierten Gefangenschaft entlassene Kriegsgefangene kehren über das Lager an ihre früheren Wohnorte oder zu ihren Angehörigen in den verschiedenen Besatzungszonen zurück. Bis 1949 passieren etwa 1,7 Millionen Menschen das Lager.

Nur wenige Ankommende bleiben länger als ein oder zwei Tage: von 1949 bis 1952 ist Friedland auch Wohnlager für Displaced Persons; zwischen 1947 und 1951 und erneut zwischen 1960 und 1963 dient es als Auffanglager für alleinreisende männliche Jugendliche aus der SBZ/DDR.

Überregionale und internationale Bekanntheit erlangt das Lager Friedland durch die Ankunft der letzten deutschen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion 1953/54 und 1955/56. Die sogenannte „Heimkehr der Zehntausend“ ist ein bedeutendes Medienereignis der frühen Bundesrepublik. Der Ort Friedland wird ein emotionaler Bezugspunkt für die Hoffnungen und Wünsche Vieler und zugleich eine Bühne für politische Inszenierungen im Kalten Krieg.

Mit der „Operation Link“ beginnt im März 1950 die Aufnahme von Aussiedler*innen. Bis heute wurden über zwei Millionen (Spät-)Aussiedler*innen in Friedland registriert.

Wiederholt und vorübergehend finden von Mitte der 1950er bis Ende der 1980er Jahre auch internationale Flüchtlinge Aufnahme im Grenzdurchgangslager. Darunter sind 1956/57 Flüchtlinge aus Ungarn nach der Niederschlagung des dortigen demokratischen Aufstands, 1974 Geflüchtete aus Chile nach dem Putsch gegen die demokratische Regierung Allende und seit 1978 „Boat People“ aus Vietnam. Sie kommen im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen in die Bundesrepublik. Außerdem werden Friedland in den 1970er und 1980er Jahren kurzzeitig aufgrund zu geringer Kapazitäten der zuständigen Aufnahmeeinrichtungen Asylsuchende aus verschiedenen Ländern zugewiesen.

Mit zurückgehenden Aussiedler*innen-Zahlen verändert sich das Lager Friedland: Aus der Aufnahmeeinrichtung für Deutsche wird nach und nach eine für Menschen aus Krisengebieten in aller Welt.

Zwischen 1. Juli 1998 und 30. September 2000 und seit 1. März 2004 übernimmt das GDL die Funktion als niedersächsische Landesaufnahmestelle für jüdische Zuwanderer*innen aus der ehemaligen Sowjetunion.

2009/2010 werden 2.500 irakische Flüchtlinge, die im Rahmen einer humanitären Aufnahmeaktion in die Bundesrepublik einreisen, im GDL Friedland aufgenommen. Seit September 2012 treffen regelmäßig Flüchtlinge im Rahmen des Resettlement-Programms des UNHCR in Friedland ein. Überdies erfüllt das GDL Friedland seit dem 1. Januar 2011 nun offiziell die Funktion einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende in Niedersachsen. Es ist für Geflüchtete aus folgenden Ländern zuständig: Afghanistan, Eritrea, Irak, Libanon, Pakistan, Russische Föderation, Syrien, Türkei und Vietnam (Stand 2015).

Nach Ende des Kalten Krieges spiegelt das Lager Friedland nicht mehr in erster Linie die Folgen des Zweiten Weltkriegs, sondern die globalen Krisenherde von heute.

Flüchtlinge im Lager Friedland, 1945

1945

Flüchtlinge im Lager Friedland, 1945

Friedland liegt nach dem Zweiten Weltkrieg in der britischen Besatzungszone Deutschlands, in unmittelbarer Nähe zur amerikanischen und sowjetischen Zone. Die zentrale Aufgabe des Lagers ist die Registrierung der vielen Ankommenden, die hier die Grenzen in verschiedene Richtungen überqueren. Allein von 1945 bis 1949 passieren 1,7 Millionen Menschen das Lager. Die größte Gruppe sind zunächst Flüchtlinge aus ehemals deutschen Gebieten jenseits von Oder und Neiße. Ab 1946 erreichen auch viele Ausweisungstransporte – vor allem aus Polen – das Lager. Fotograf*in unbekannt, Museum Friedland

Entlassene Kriegsgefangene überqueren die Zonengrenze bei Friedland, Oktober 1946

1946

Entlassene Kriegsgefangene überqueren die Zonengrenze bei Friedland, Oktober 1946

Vor allem im Krieg Evakuierte sowie aus westalliiertem Gewahrsam entlassene Kriegsgefangene gehen über Friedland an ihre früheren Wohnorte in der sowjetischen Besatzungszone zurück. Im August 1946 kommt der erste Transport mit entlassenen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion. Fotograf: Roman Stempka, Museum Friedland

Kinder vor Wellblechhütten im Lager Friedland, um 1950

1950

Kinder vor Wellblechhütten im Lager Friedland, um 1950

Friedland ist zwischen 1948 und 1956 ein wichtiger Knotenpunkt für den Austausch von Kindern zwischen der Bundesrepublik und den Staaten Ost-, Ostmittel- und Südosteuropas. Ihre Familien wurden durch den Krieg getrennt. Bei ihrer Zusammenführung arbeiten Suchdienste und Behörden beiderseits des „Eisernen Vorhangs“ eng zusammen. Fotograf: Rudolf Lindemann, DRK-Suchdienst München

Empfang entlassener Kriegsgefangener aus der Sowjetunion, 17.10.1955

1955

Empfang entlassener Kriegsgefangener aus der Sowjetunion, 17.10.1955

Zwischen 1953 und 1956 werden die letzten deutschen Kriegsgefangenen von der Sowjetunion entlassen. Die Bundesrepublik empfängt sie im Lager Friedland. Ihre Ankunft ist ein politisches und gesellschaftliches Großereignis. Über Jahrzehnte prägt es das Bild des Lagers als „Tor zur Freiheit“. Wenig beachtet wird lange, dass sich unter den Rückkehrern schwer belastete NS- und Kriegsverbrecher befinden. Fotograf: Rolf Unterberg, Bundesregierung B 145 Bild-00011563

Flüchtlinge aus Ungarn kommen im Grenzdurchgangslager an, 1956

1956

Flüchtlinge aus Ungarn kommen im Grenzdurchgangslager an, 1956

Nach der gescheiterten Revolution in Ungarn 1956 flüchten 13.000 Menschen in die Bundesrepublik. Als „Kämpfer gegen den Kommunismus“ erhalten sie Asyl und können dauerhaft bleiben. 3.500 von ihnen werden zuerst in Friedland untergebracht. Fotograf: Rudolf Kluwe, Städtisches Museum Göttingen

Aussiedler*innen aus Polen auf dem Weg vom Bahnhof Friedland ins Grenzdurchgangslager, um 1957

1957

Aussiedler*innen aus Polen auf dem Weg vom Bahnhof Friedland ins Grenzdurchgangslager, um 1957

Die in Friedland am stärksten vertretene Gruppe sind Aussiedler*innen, die als Deutsche aus Ost- und Ostmitteleuropa einwandern. Voraussetzung für die Anerkennung ist der Nachweis ihres „Deutschtums“, ihre Herkunft aus Ländern unter sowjetischem Einfluss und Familienangehörige in der Bundesrepublik. Bis 1992 kommen die meisten von ihnen aus Polen – insgesamt über eine Million Menschen. Fotograf: Fritz Paul, Museum Friedland

Jugendliche DDR-Flüchtlinge im Grenzdurchgangslager Friedland, 1960

1960

Jugendliche DDR-Flüchtlinge im Grenzdurchgangslager Friedland, 1960

Nach 1959 können zeitweise weniger Aussiedler*innen Polen verlassen; viele Betten in Friedland bleiben frei. Von 1960-1963 wird deshalb vor Ort ein Lager für junge Männer aus der DDR eingerichtet. Insgesamt werden über 22.000 DDR-Flüchtlinge dort betreut. Fotograf: Klaus Heirler, picture-alliance/dpa

Ankunft von Geflüchteten aus Chile im Lager Friedland, 10.1.1974

1974

Ankunft von Geflüchteten aus Chile im Lager Friedland, 10.1.1974

Am 11.9.1973 wird in Chile die sozialistische Regierung Allende gewaltsam gestürzt. Ihren Anhänger*innen drohen Gefängnis, Folter und Tod. Nach langem Zögern beschließt die Bundesregierung, Flüchtlingen aus Chile die Einreise zu gewähren. Politisch ist die Aufnahmeaktion umstritten – manche vermuten „Berufsrevolutionäre“ unter den Schutzsuchenden. Von insgesamt 4.000 Geflüchteten aus Chile, die in der Bundesrepublik Zuflucht finden, werden im Januar 1974 70 im Lager Friedland untergebracht. Fotograf: Wolfgang Weihs, picture alliance

„Boat People“ aus Vietnam finden Zuflucht in Friedland, 3.12.1978

1978

„Boat People“ aus Vietnam finden Zuflucht in Friedland, 3.12.1978

Über eine Million Menschen fliehen ab 1978 auf dem Seeweg aus dem kommunistisch regierten Vietnam. Die Bundesrepublik nimmt in den 1970er und 1980er Jahren rund 35.000 dieser „Boat People“ auf. Über 4.500 von ihnen durchlaufen Friedland. Sämtliche politischen Parteien befürworten die Aufnahme; innerhalb der Bevölkerung ist die Unterstützung groß. In Zeiten des Kalten Krieges sind die Flüchtlinge aus dem kommunistischen Vietnam besonders willkommen. Fotograf: Karlheinz Otto

Aussiedler*innen aus Polen am Bahnhof Friedland, 21.12.1981

1981

Aussiedler*innen aus Polen am Bahnhof Friedland, 21.12.1981

Ab 1970 führen zahlreiche internationale Verhandlungen zur Entspannung des Ost-West-Konflikts. Die Volksrepublik Polen erleichtert die Ausreise. Viele Aussiedler*innen erreichen Friedland mit dem Zug. Nach der obligatorischen Registrierung gehen sie weiter an Wohnorte im ganzen Bundesgebiet. Fotograf: Karlheinz Otto

Familie aus Tadschikistan vor der Anmeldung, Juni 1988

1988

Familie aus Tadschikistan vor der Anmeldung, Juni 1988

Das Ende des Ost-West-Konflikts ist im Lager Friedland deutlich spürbar. Viele Menschen nutzen die nun offenen Grenzen, um als Aussiedler*innen in die Bundesrepublik zu kommen. Von 1987 bis 1990 ist das Grenzdurchgangslager Friedland völlig überfüllt. Die Leitung muss den Betrieb auf das Notwendigste beschränken und zahlreiche Ankommende außerhalb des Lagers unterbringen. Fotograf*in unbekannt, Bundesarchiv, Bild-F079036-0007

Spätaussiedlerinnen aus der ehemaligen Sowjetunion warten auf ihre Registrierung im Grenzdurchgangslager, 2001

2001

Spätaussiedlerinnen aus der ehemaligen Sowjetunion warten auf ihre Registrierung im Grenzdurchgangslager, 2001

Von 1990 bis 2012 kommen fast alle Menschen im Grenzdurchgangslager Friedland aus der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten – die meisten als Spätaussiedler*innen, andere als jüdische Zuwanderinnen und Zuwanderer. Ab dem Jahr 2000 ist Friedland die einzige Erstaufnahmeeinrichtung für Spätaussiedler*innen bundesweit. Fotograf: Stefan Volk, laif

Familie aus dem Kosovo bei der Weihnachtsfeier im Grenzdurchgangslager, 9.12.2014

2011

Familie aus dem Kosovo bei der Weihnachtsfeier im Grenzdurchgangslager, 9.12.2014

Seit 2011 ist das Grenzdurchgangslager Friedland auch Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende. Zuständig ist es für Geflüchtete aus Afghanistan, Eritrea, Irak, Libanon, Pakistan, die Russische Föderation, Syrien, Türkei und Vietnam. Unmittelbar spiegeln sich so im Grenzdurchgangslager die globalen Krisenherde von heute. Fotograf: Swen Pförtner, picture alliance/dpa

Flüchtlinge aus Syrien bei der Ankunft vor der Friedlandglocke, 11.09.2013

2015

Flüchtlinge aus Syrien bei der Ankunft vor der Friedlandglocke, 11.09.2013

Täglich kommen Menschen aus zahlreichen Ländern im Grenzdurchgangslager Friedland an. Sie fliehen vor Krieg und Bürgerkrieg, vor Verfolgung und Unterdrückung, Armut und Perspektivlosigkeit. Diejenigen, die im Rahmen von humanitären Aufnahmeaktionen oder Resettlement nach Deutschland einreisen, sowie Asylsuchende, deren Antrag anerkannt wird, können längerfristig in Deutschland bleiben. Für andere ist die Zukunft ungewiss. Fotograf: Swen Pförtner, picture alliance/dpa