Siegfried Jenkner "Ich bin Professor geworden, weil ich nicht Maurer werden durfte."

Siegfried Jenkner (*14. November 1930 in Frankfurt am Main; † 20. Juni 2018) wohnt nach dem zweiten Weltkrieg mit seiner Familie bei Leipzig. Dort engagiert er sich im Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands. Da er keinen Ausbildungsplatz als Maurer findet, geht er weiter zur Schule und macht 1949 – dem Jahr der DDR-Gründung – sein Abitur und beginnt ein Studium an Universität Leipzig. Mit Unbehagen beobachtet er den zunehmenden Einfluss von SED und FDJ auf den Universitätsbetrieb und tritt mit anderen kritischen Studenten in Kontakt. Untereinander tauschen sie Literatur aus und senden Stimmungsberichte an den Rundfunk im Amerikanischen Sektor (RIAS) in West-Berlin.

 

Im Vorfeld der 1. Volkskammerwahl im Oktober 1950 verteilen sie in Leipzig Flugblätter, um gegen die undemokratische Einheitsliste zu protestieren.
Hierfür werden Jenkner und neun andere verhaftet und im Januar 1951 vor ein sowjetisches Militärgericht in Dresden gestellt. Von der Anklage werden sie nach dem vermeintlichen Rädelsführer – Herbert Belter – als Belter-Gruppe bezeichnet. Belter wird zum Tode verurteilt und 1951 in Moskau erschossen, Jenkners Urteil lautet „nur“ zweimal 25 Jahre Zwangsarbeit. „25 Jahre war für jemanden der zwanzig ist eigentlich noch jenseits des Vorstellungshorizontes.“

 

Zusammen mit den anderen Verurteilten wird er in ein Lager nach Workuta transportiert. Erst dort wird ihm die Ernsthaftigkeit des Urteils klar. Nördlich des Polarkreises muss er unter härtesten klimatischen Bedingungen im Kohlebergbau arbeiten  Ab dem Tod Stalins kommt es in seinem Lager zu Lockerungen im Lagerregime und im Frühjahr 1955 wird er in ein Lager nahe Potma in Mordwinien versetzt. Dort wird er im Oktober 1955 amnestiert und zunächst in die DDR transportiert. Im DDR-Entlassungslager Fürstenwalde erkämpft er sich zusammen mit anderen politischen Gefangenen die Erlaubnis zur Ausreise in den Westen. Mit einer kleinen Gruppe überquert er zu Fuß und ohne Papiere die Grenze bei Herleshausen. Völlig unerwartet platzen sie in einen feierlichen Empfang für entlassene Kriegsgefangene, die sie mit nach Friedland nehmen.

 

Nach seiner Entlassung wohnt er zunächst in Eichstätt in einer Jugendherberge, die der Quelle-Gründer Gustav Schickedanz für heimatlose Heimkehrer angemietet hat. Dieser macht Jenkner sogar das Angebot eines Betriebsstipendiums. Jenkner lehnt jedoch dankend ab und studiert von 1956-65  in Wilhelmshaven und Kiel, ab 1965 ist er an der Universität Göttingen tätig. 1969 wird er Professor für Politikwissenschaft an der Pädagogischen Hochschule Niedersachsen (später Universität Hannover), wo er bis 1996 tätig ist und zahlreiche Publikationen zur Totalitarismusforschung anfertigt. 2007 wird ihm das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Auch nach seiner Pensionierung betätigt er sich als Zeitzeuge bei Gedenkveranstaltungen und in Museen und Gedenkstätten.